
Die Auflösung einer Ehe wirft weit mehr Fragen auf als die bloße Scheidungserklärung. Wer frühzeitig Klarheit schaffen möchte – sei es zur Vermeidung langwieriger Gerichtsverfahren, zur Wahrung der wirtschaftlichen Stabilität oder zum Schutz gemeinsamer Kinder – greift häufig auf vertragliche Gestaltungen zurück. Im juristischen Sprachgebrauch werden diese Dokumente als Scheidungsfolgenverträge bezeichnet; gebräuchlich ist auch der Ausdruck Trennungsvereinbarung, sofern die Regelungen bereits während der Trennungszeit gelten sollen. Als Rechtsanwälte unserer Kanzlei Hobohm Natalello Giloth in Mainz und Alzey erleben wir täglich, wie groß der Bedarf an verlässlichen, maßgeschneiderten Lösungen ist – und wie schnell Fehler passieren können, wenn Formvorgaben oder inhaltliche Schranken übersehen werden.
Vertragsautonomie mit verfassungsrechtlicher Bremse
Grundsätzlich steht es Ehegatten frei, ihre künftigen Rechtsbeziehungen in weiten Teilen selbst zu gestalten. Dieses Prinzip der Ehegestaltungsfreiheit ist Ausdruck der Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) und des Schutzes von Ehe und Familie (Art. 6 GG). Gleichwohl sind Scheidungsfolgenverträge kein rechtsfreier Raum. Zwingende Vorschriften – etwa zur Sicherung des Trennungsunterhalts (§ 1361 BGB), zum Versorgungsausgleich (§ 6 VersAusglG) oder zum Kindesunterhalt (§ 1614 BGB) – setzen feste Leitplanken. Auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verlangt eine richterliche Kontrolle, sobald ein Vertrag eine gravierende einseitige Lastenverteilung zulasten eines Ehegatten erkennen lässt. Aus anwaltlicher Sicht empfiehlt sich daher stets eine Gesamtwürdigung: Kompensiert beispielsweise eine Vermögensübertragung den Verzicht auf nachehelichen Unterhalt? Werden ehebedingte Nachteile angemessen ausgeglichen? Bleiben die Lebensverhältnisse beider Partner nachvollziehbar ausgewogen?
Formfragen: Notar, Gericht oder Schriftstück?
Im Unterschied zu klassischen „Eheverträgen“ – etwa zur Güterstandswahl – unterliegt ein Scheidungsfolgenvertrag im Grundsatz keiner besonderen Form. Gleichwohl erzwingt der Gesetzgeber Notarielle Beurkundung, sobald bestimmte Materien betroffen sind: das Zugewinnausgleichsversprechen (§ 1378 Abs. 3 BGB), Vereinbarungen über nachehelichen Unterhalt (§ 1585c BGB) oder Modifikationen des Versorgungsausgleichs (§ 7 VersAusglG). Wird der Vertrag dagegen erst im Rahmen des gerichtlichen Ehescheidungsverfahrens geschlossen, genügt regelmäßig die Aufnahme in das gerichtliche Protokoll (§ 127a BGB). Für die Praxis heißt das: Wer Rechtssicherheit und sofortige Vollstreckbarkeit wünscht, sollte frühzeitig den Weg über Notar oder Gerichtsvergleich wählen. Ein bloß privatschriftlicher „Deal“ mag informell bequem erscheinen, bietet aber kaum Beweiswert und kann bei späterem Streit erheblich an Geltungskraft verlieren.
Typische Inhalte und Stolpersteine
Scheidungsfolgenverträge behandeln in aller Regel fünf zentrale Komplexe: Unterhalt, Zugewinn, Versorgungsausgleich, Vermögensaufteilung und Nutzungsregelungen für Ehewohnung sowie Hausrat. Pauschale Totalverzichte auf Unterhalt oder Ausgleichsansprüche sind rechtlich zwar nicht per se verboten, werden von der Rechtsprechung jedoch streng durchleuchtet. Nach unserer Erfahrung scheitern viele Entwürfe an unklaren Formulierungen – etwa wenn ein „Verzicht“ auf Trennungsunterhalt erklärt wird, obwohl § 1361 BGB einen solchen Verzicht ausdrücklich für unwirksam erklärt – oder an unzulässigen Belastungen Dritter, wenn beispielsweise ein Ehepartner bewusst die Sozialhilfe in Anspruch nehmen müsste. Auch der oft gewünschte Ausschluss des Versorgungsausgleichs verlangt eine differenzierte Betrachtung: Ohne angemessene Altersvorsorge oder sonstige Kompensation des benachteiligten Partners droht die Nichtigkeit einzelner Klauseln, schlimmstenfalls des gesamten Vertrages.
Inhalts- und Ausübungskontrolle durch Gerichte
Selbst ein notariell beurkundeter Vertrag ist nicht „unkaputtbar“. Liegt eine eklatante Ungleichgewichtung vor – etwa weil ein Ehegatte bei Vertragsschluss hochschwanger, finanziell abhängig oder sprachlich überfordert war – kann der Vertrag wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) insgesamt nichtig sein. Weniger drastisch, aber ebenso relevant ist die Ausübungskontrolle: Hier prüft das Gericht, ob sich die Berufung auf eine an sich wirksame Klausel unter den inzwischen veränderten Lebensverhältnissen als rechtsmissbräuchlich darstellt (§ 242 BGB). Beispiel: Ein Paar schließt in jungen Jahren einen Vertrag mit vollständigem Unterhaltsverzicht; nach zwanzig Jahren Ehe hat die betreuende Partnerin ihre Erwerbsbiografie zugunsten der Kinder geopfert. In dieser Konstellation kann eine Anpassung oder Teilaufhebung des Vertrages geboten sein – selbst wenn die ursprüngliche Regelung formal korrekt war.
Gerichtliche Vergleiche als Alternative
Viele Mandanten entscheiden sich dafür, sämtliche Scheidungsfolgen gleich im Verbundverfahren zu klären und in einem gerichtlichen Vergleich festzuhalten. Der Vorteil: Das Protokoll ersetzt die notarielle Beurkundung, und der Vergleich ist zugleich vollstreckbar (§ 794 ZPO). Allerdings gilt auch im Vergleichswege der Anwaltszwang (§ 114 FamFG) – und selbstverständlich bleiben die materiell-rechtlichen Prüfkriterien identisch. Einmal protokolliert, kann der Vergleich nur noch durch ein Abänderungsverfahren (§ 239 FamFG) oder einen Vollstreckungsgegenantrag (§ 767 ZPO) modifiziert werden.
Verträge mit Dritten – selten, aber heikel
Gelegentlich treten Dritte – etwa künftige Partner oder Eltern – in Erscheinung, um finanzielle Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Scheidung zu übernehmen. Solche „Interzessionen“ sind nur zulässig, wenn sie keine unzulässige Einflussnahme auf die Entscheidungsfreiheit eines Ehegatten darstellen oder ein wirtschaftliches Übermaß an Vorteilen verschaffen. Im Extremfall kann der Vorwurf stehen, „die Ehe zu verkaufen“, was regelmäßig zur Nichtigkeit nach § 138 BGB führt.
Fazit unserer Kanzlei (Meinung)
Nach unserer fachlichen Einschätzung sind Scheidungsfolgenverträge ein wirkungsvolles Instrument, Konflikte zu befrieden und Vermögenswerte planbar zu verteilen. Sie sind jedoch kein „Download-Formular“, das man im Internet ausfüllt. Wer Formvorgaben ignoriert, zentrale Kernbereiche – Betreuungsunterhalt, Versorgungsausgleich, Teilhabe am ehelichen Vermögen – ohne angemessenen Ausgleich ausschließt oder versteckte Drucksituationen ausnutzt, riskiert die Unwirksamkeit des gesamten Abkommens. Wir empfehlen daher dringend, frühzeitig rechtliche Beratung einzuholen, alle möglichen Szenarien durchzuspielen und den Vertrag in enger Abstimmung mit Notar und Anwälten zu gestalten. Nur so entsteht ein robustes Regelwerk, das Bestand hat – und zwar nicht nur am Tag der Unterzeichnung, sondern auch dann, wenn das Leben Jahre später ganz anders aussieht, als ursprünglich geplant.
Ihre Ansprechpartner
Rechtsanwältin Pauline Joseph
Telefon: 06131-9725322
E-Mail: info@hng.law
Standorte: Mainz | Alzey
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