
Wer heiratet, sagt nicht nur „Ja“ zur Liebe, sondern schließt gleichzeitig einen wirtschaftlichen Vertrag – ob er will oder nicht. Dieses „unsichtbare“ Vertragswerk heißt eheliches Güterrecht. Es legt fest, wem während der Ehe welches Vermögen gehört, wer Schulden verantwortet und was im Trennungs- oder Todesfall passiert. Weil dabei schnell viel Geld auf dem Spiel steht, lohnt es sich, die wichtigsten Spielregeln zu kennen – spätestens bevor ein Ehevertrag unterschrieben oder eine Scheidung eingereicht wird.
1. Warum gibt es überhaupt Güterstände?
Paare leben heute sehr unterschiedlich: Doppelverdiener mit ähnlichem Einkommen, Hausfrau-Hausmann-Modelle, Unternehmerehen oder Partnerschaften, in denen ein Partner erhebliche Startvermögen mitbringt. Ein einziger starrer Güterstand könnte dieser Vielfalt nie gerecht werden. Darum kombiniert das Gesetz einen „Standard“-Güterstand mit der Möglichkeit, per Ehevertrag auf andere Modelle zu wechseln.
2. Der gesetzliche Güterstand: Zugewinngemeinschaft
Haben Sie nichts geregelt, leben Sie automatisch in der Zugewinngemeinschaft. Während der Ehe bleibt „Meins” auch „Meins“: Jeder verwaltet sein Vermögen allein. Aber: Am Ende – bei Scheidung oder Tod – wird geschaut, wer welchen Zugewinn erzielt hat. Übersetzt heißt das: Welcher Wertzuwachs ist während der Ehe entstanden? Der Partner mit dem höheren Plus gleicht die Differenz zur Hälfte aus. So soll niemand leer ausgehen, wenn etwa einer wegen Kinderbetreuung Karrierechancen verpasst.
Praxisbeispiel:
Anna startet mit 10 000 €, Ben mit 0 €. Zehn Jahre später hat Anna 110 000 €, Ben 60 000 €.
• Anna → Zugewinn: 100 000 €
• Ben → Zugewinn: 60 000 €
• Differenz: 40 000 €
Ben erhält die Hälfte, also 20 000 €.
Wichtig: Schulden zählen mit. Hat ein Partner minus gemacht, reduziert das seinen Zugewinn.
3. Gütertrennung – wenn jeder sein Vermögen komplett behält
Gütertrennung bedeutet: Kein Ausgleich, keine Haftung für Schulden des anderen, keine gemeinsamen Konten – es sei denn, Sie richten sie freiwillig ein. Klassisch wählen Unternehmer diesen Weg, um das Betriebskapital vor privaten Scheidungsrisiken zu schützen. Der Preis: Im Ernstfall steht der wirtschaftlich Schwächere ohne automatischen Ausgleich da. Wer hier fair sein will, koppelt Gütertrennung häufig mit Unterhalts- oder Abfindungsklauseln.
4. Gütergemeinschaft – alles in einen Topf
Das Gegenteil der Gütertrennung ist die Gütergemeinschaft. Fast das gesamte Vermögen wird gemeinschaftlich. Beide haften im Außenverhältnis viel weiter gegenüber Gläubigern. Wegen dieser Risiken entscheiden sich nur sehr wenige Paare für dieses Modell. Zudem ist die Trennung im Scheidungsfall kompliziert und teuer – ein Grund, weshalb dieser Güterstand in Deutschland kaum noch gewählt wird.
5. Deutsch-französische Wahl-Zugewinngemeinschaft
Seit 2013 existiert eine Sondervariante für binational verheiratete Paare: die Wahl-Zugewinngemeinschaft. Sie ähnelt stark dem deutschen Grundmodell, hat aber Feintuning für Vermögen in beiden Ländern. Praktisch relevant ist das vor allem, wenn Immobilien oder Betriebsvermögen jenseits der Grenze liegen.
6. Braucht man wirklich einen Ehevertrag?
Viele Paare scheuen das Thema, doch ein Ehevertrag kann enormen Streit ersparen. Besonders sinnvoll ist er, wenn
- ein Partner Unternehmer ist oder große Vermögenswerte einbringt,
- ein längerer Auslandsaufenthalt geplant ist (anderes Güterrecht!),
- ein klassisches Alleinverdienermodell gilt und Vermögensschutz für den familienbetreuenden Partner geregelt werden soll,
- das Paar von den gesetzlichen Regeln (Stichwort Schuldenhaftung, Nachlassplanung) abweichen möchte.
Der Vertrag muss notariell beurkundet sein. Unsere Kanzlei achtet darauf, dass Regelungen nicht sittenwidrig oder überraschend benachteiligend sind – sonst können Gerichte sie später kippen.
7. Außerordentliche Güterstände – die Reserveordnung
Was passiert, wenn ein Ehevertrag wegen Formfehlern unwirksam ist oder das Paar während laufender Scheidung plötzlich einen anderen Güterstand braucht? In solchen Fällen springt ein außerordentlicher Güterstand ein. Er ist eine Art Auffangnetz und sorgt dafür, dass Vermögen zumindest vorläufig geordnet bleibt.
8. Internationale Aspekte – welches Recht gilt?
Seit 2019 regelt die EU-Güterrechtsverordnung, welches Recht bei grenzüberschreitenden Ehen Anwendung findet. Entscheidend können Wohnort, Staatsangehörigkeit oder eine Rechtswahlklausel sein. Ohne bewusstes Ankreuzen landen Paare mit verschiedenen Pässen schnell in unerwarteten Systemen. Hier lohnt frühzeitige Beratung.
9. Unser Fazit
Das gesetzliche System der Zugewinngemeinschaft funktioniert für viele Paare gut – unter der Bedingung, dass beide ein vergleichbares Einkommenspotenzial haben. Weichen Beruf, Vermögen oder Risiken stark voneinander ab, sollte der Güterstand maßgeschneidert werden. Ein ausgewogener Ehevertrag ist kein Misstrauensvotum, sondern die beste Versicherung für den Fall, dass das Leben nicht nach Plan läuft.
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Unsere auf Familien- und Vermögensrecht spezialisierte Kanzlei prüft Ihren individuellen Bedarf, formuliert rechtssichere Verträge und begleitet Sie im Trennungs- oder Scheidungsverfahren. Vereinbaren Sie gerne ein Erstgespräch – telefonisch oder online.
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Rechtsanwältin Pauline Joseph
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