Wenn Recht auf Gewalt trifft: Notwehr nach § 32 StGB – Leitfaden unserer Mainzer Kanzlei

Strafverteidiger Giloth

1 | Warum das Thema Notwehr gerade in Mainz höchste Praxisrelevanz hat

Ob nächtlicher Streit auf dem Schillerplatz, Gedränge beim Rosenmontagszug oder hitzige Debatten rund um das Mainzer Nachtleben – Konflikte gehören zum urbanen Alltag. Doch ab welchem Moment darf man zurückschlagen, drängen oder gar eine Waffe einsetzen, ohne sich selbst strafbar zu machen? Die Antwort liefert § 32 StGB. Die Vorschrift steht im Mittelpunkt sämtlicher Rechtfertigungs‑ und Entschuldigungsmechanismen unseres Strafrechts, denn sie gewährt – wie keine andere Norm – die umfassendste Befugnis, in fremde Rechtsgüter einzuschneiden. Wer sich in Mainz effektiv verteidigen will, muss die fünf Schlüsselbegriffe des Notwehrrechts verstehen: Angriff, Gegenwärtigkeit, Rechtswidrigkeit, Erforderlichkeit und Gebotenheit.

Unsere Kanzlei hat zahllose Straf‑ und Zivilverfahren begleitet, in denen Mandanten sich auf Notwehr berufen haben. Immer wieder zeigt sich: Missverständnisse über „Bagatellangriffe“, schuldlose Angreifer oder provozierte Konflikte führen schnell zur Strafbarkeit. Wer die systematischen Grundlagen kennt, kann dagegen klare Entscheidungen treffen. Dieser Leitfaden wendet sich an Bürger, Gewerbetreibende und Sicherheitsverantwortliche in Mainz gleichermaßen – immer mit dem Ziel, Ihnen eine praxisnahe, rechtssichere Handlungsanleitung an die Hand zu geben.


2 | Die Notwehrlage: Wann „Angriff“ wirklich Angriff ist

2.1 Angriff als willensgetragenes Verhalten

§ 32 spricht vom „Angriff“, meint aber ausschließlich menschliches Verhalten. Gefährdet Sie ein Hund, kommt lediglich ein zivilrechtlicher Tier‑Notstand (§§ 228, 904 BGB) in Betracht. Dient das Tier jedoch als „Werkzeug“ seines Halters – etwa wenn ein Einbrecher den Schäferhund auf Sie hetzt – wird dessen Verhalten dem Halter zugerechnet, und eine Notwehrlage liegt vor. Nicht zu verwechseln ist ein Angriff mit sozialüblichen Rempeleien: Ein versehentliches Drängeln in der überfüllten Straßenbahn löst kein Notwehrrecht aus, weil der Rechtsverkehr eine solche Belästigung hinnehmen muss.

2.2 Gegenwärtigkeit: Die „konkrete Kampflage“

Ein Angriff ist gegenwärtig, wenn er unmittelbar bevorsteht, bereits stattfindet oder noch fortdauert. Das Messer, das sich aus der Tasche löst, weil jemand am Rheinufer damit nur hantiert, stellt noch keinen gegenwärtigen Angriff dar. Beginnt der Täter jedoch, mit erhobenem Messer auf Sie zuzugehen, ist die Schwelle überschritten: Ein Untätig‑Werden würde Ihre Verteidigungschancen drastisch mindern. Nach Abschluss der Gefahr – der Angreifer flieht und lässt von Ihnen ab – ist der Angriff beendet; eine „präventive Notwehr“ gibt es nicht.

2.3 Rechtswidrigkeit: Kein Notwehrrecht gegen rechtmäßige Handlungen

Gegen Polizisten, die in Mainz eine formell rechtmäßige Abschiebe‑Anordnung vollstrecken, dürfen Sie sich nicht wehren. Das Handeln des Beamten ist nicht rechtswidrig, und es fehlt die Notwehrlage. Anders sieht es aus, wenn der Beamte objektiv rechtswidrig handelt – etwa weil er sachlich unzuständig ist oder die Vollstreckungsvoraussetzungen fehlen. Dann dürfen Sie sich verteidigen, allerdings nur verhältnismäßig.


3 | Die Verteidigungshandlung: von Schutz‑ bis Trutzwehr

3.1 Geeignetheit und Erforderlichkeit

Geeignet ist jede Handlung, die den Angriff zumindest abschwächen kann. Wenn ein unbewaffneter Angreifer Sie am Domplatz würgt, darf ein gezielter Faustschlag oder das Auslösen eines Alarm‑Geräts genügen. Erforderlich ist das relative mildeste Mittel: Wer eine Waffenlizenz besitzt, darf nicht automatisch zum Revolver greifen, solange Weglaufen oder eine verbale Drohung denselben Schutzzweck erreicht. Das Strafrecht erwartet jedoch keine heroische Flucht: Der Grundsatz „Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen“ bleibt Leitlinie – Flucht ist nur ein realistisches milderes Mittel, wenn sie risikoarm möglich ist.

3.2 Gebotenheit: Sozialethische Grenzen der Notwehr

Hier trennt sich rechtmäßige Verteidigung von strafbarer Überschreitung. Die Rechtsprechung hat vier Hauptfallgruppen entwickelt:

  1. Bagatellangriffe – Wer einen Taschendieb tödlich verletzt, um eine Sirupflasche zu „retten“, überschreitet die Grenze.

  2. Schuldlose Angreifer – Betrunkene, Kinder oder Geisteskranke dürfen in der Regel nur schonend abgewehrt werden.

  3. Familien‑ und Nähebeziehungen – Ehepartner müssen mildere Mittel nutzen, solange nur leichte Körperverletzungen drohen.

  4. Provozierter Angriff – Wer eine Schlägerei bewusst heraufbeschwört, verliert sein volles Notwehrrecht und muss, soweit zumutbar, ausweichen.

Gerade die Konflikte in Wohngemeinschaften oder bei öffentlichen Demonstrationen in Mainz zeigen, dass die Gebotenheit oft das Zünglein an der Waage ist.


4 | Subjektives Element: Verteidigungs‑ versus Angriffsabsicht

Das Gesetz verlangt einen Verteidigungswillen. Rache, Wut oder Eifersucht dürfen vorhanden sein, solange sie den Abwehrzweck nicht völlig verdrängen. Wer nur deshalb zuschlägt, um den verhassten Nachbarn endlich „eine Lektion“ zu erteilen, handelt rechtswidrig – selbst wenn objektiv eine Notwehrlage bestand. Streitigkeiten um Parkplätze in der Altstadt liefern in der Praxis regelmäßig Beispiele, in denen Gefühle das Handeln leiten und das Verteidigungsmotiv überlagern.


5 | Fehlerquellen: Irrtümer und ihre strafrechtliche Behandlung

5.1 Putativnotwehr (Erlaubnistatbestandsirrtum)

Sie halten den harmlosen Jogger für einen Räuber und setzen Pfefferspray ein – objektiv kein Angriff, subjektiv aber voller Verteidigungswille. Hier spricht man von Putativnotwehr. Der sogenannte Erlaubnistatbestandsirrtum wird wie ein Tatbestands­irrtum behandelt: Vorsatz scheidet aus, prüfen Sie aber eine Fahrlässigkeitshaftung. Unsere Kanzlei analysiert, ob Ihre Fehleinschätzung vermeidbar war – zum Beispiel durch bessere Beleuchtung oder Abklärung der Situation.

5.2 Verbotsirrtum

Wussten Sie, dass ein Warnschuss ohne vorherige Androhung in vielen Fällen unverhältnismäßig ist? Wer sich irrtümlich für berechtigt hält, eine Waffe einzusetzen, irrt über die Gebotenheit – ein Verbotsirrtum (§ 17 StGB). Dieser entschuldigt nur, wenn er unvermeidbar war. In der Stadt Mainz mit umfangreichen Möglichkeiten zur polizeilichen Hilfe sind die Anforderungen an die Unvermeidbarkeit hoch.


6 | Typische Szenarien aus Mainzer Verfahren

6.1 Die Parkplatz‑Blockade an der Alten Universitätsstraße

Ein Fußgänger „reserviert“ einen Parkplatz, indem er ihn mit dem Körper blockiert. Der Fahrzeugführer dürfte ihn nichtmit dem Auto anfahren, um sein Hausrecht an der Parkfläche durchzusetzen; das wäre ein krasses Missverhältniszwischen Sachwert (Parkplatz) und Rechtsgut (körperliche Unversehrtheit).

6.2 Der betrunken pöbelnde Karnevalsbesucher

Beleidigungen eines stark alkoholisierten Fastnachters provozieren leicht Gegen­gewalt. Doch der alkoholbedingte Schuldunfähige genießt „sozialethischen Schutz“: Eine handfeste Ohrfeige ist daher unverhältnismäßig; zulässig wäre allenfalls Wegschieben oder Hilfe rufen.

6.3 Die Notwehr im Ehekonflikt

Zehn Jahre Ehe, ein eskalierender Streit in der Mainzer Neustadt: Der Mann schlägt zuerst, die Frau greift zur Küchen­kelle. Die Rechtsprechung erwartet Rücksicht, wenn nur leichte Verletzungen drohen. Tödliche Gewalt wäre – selbst im Ernstfall eigener Gefahr – erst das letzte Mittel.


7 | So prüft unsere Kanzlei Ihren Notwehrfall – Schritt für Schritt

  1. Feststellung der Notwehrlage

    • Lag ein gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff vor?

  2. Analyse der Verteidigungshandlung

    • War das Mittel geeignet und erforderlich?

    • Gab es mildere, zumutbare Alternativen?

  3. Bewertung der Gebotenheit

    • Greift eine Fallgruppe der sozialethischen Einschränkung?

  4. Subjektives Element

    • Bestand Verteidigungswille oder handelte es sich um Rache?

  5. Irrtums­prüfung

    • Putativnotwehr? Verbotsirrtum?

  6. Haftungs‑ und Schadensersatzrisiken

    • Zivilrechtliche Folgen für den Verteidiger?

  7. Straf­prozessuale Strategie

    • Anzeige, Aussage­verweigerungsrecht, Beweissicherung.

Dieses Raster hat sich in unserer täglichen Praxis bewährt, um verlässlich zwischen gerechtfertigter Selbstverteidigung und strafbarer Körperverletzung zu unterscheiden.


8 | Konkrete Handlungsempfehlungen für Bürger und Unternehmen

  • Dokumentieren Sie die Situation – Fotos, Videos, Zeugennamen erleichtern später den Nachweis Ihrer Notwehrlage.

  • Lassen Sie Eskalationsstufen erkennen – verbale Warnung, Androhung, dann Aktion. So demonstrieren Sie die Wahl des mildesten Mittels.

  • Nutzen Sie De‑Escalation‑Techniken – besonders Sicherheitsdienste sollten geschult sein, um schuldlose Angreifer schonend zu fixieren.

  • Binden Sie frühzeitig einen Strafrechtler ein – Aussage bei der Polizei erst nach rechtlicher Beratung.

  • Unternehmen: Legen Sie klare Einsatzleitlinien fest, wann Mitarbeiter körperliche Gewalt einsetzen dürfen.


9 | Notwehrprovokation: Risiko für Club‑ und Barbetreiber

In pulsierenden Vierteln wie der Mainzer Altstadt kommt es vor, dass Sicherheitskräfte durch ruppiges Auftreten Angriffe heraufbeschwören. Wer als Türsteher provoziert, verliert das volle Notwehrrecht. Die Folge: Zivile Haftung und strafrechtliche Risiken für Betreiber und Mitarbeiter. Eine Schulung zum richtigen Notwehrverhalten ist daher Pflichtprogramm für jedes seriöse Nacht­lokal.


10 | Grenzfall Folter und staatliches Gewaltmonopol

Die Diskussion um polizeiliche Gewalt zur Terror­abwehr zeigt, dass Folter unter keinen Umständen gerechtfertigt ist. Weder § 32 noch § 34 StGB geben dem Staat ein solches Recht. Art. 3 EMRK und Art. 1 GG verbieten den Einsatz – selbst wenn ein Menschenleben auf dem Spiel steht. Diese absolute Grenze muss auch der Bürger respektieren: Notwehr darf niemals in Folter oder grausame Behandlung übergehen.


11 | Unser Versprechen als Mainzer Strafverteidiger

  • Ortskenntnis – Zusammenarbeit mit Polizeiinspektion Mainz 1, Staatsanwaltschaft und Landgericht.

  • Fachwissen – Systematische Prüfung aller Notwehr­elemente, gestützt auf aktuellste Rechtsprechung.

  • Prozessstärke – Durchsetzung von Freisprüchen, zivilrechtliche Abwehr von Schmerzensgeld­ansprüchen.

  • Prävention – Seminare für Unternehmen, Sicherheits­dienste und Polizei zum rechtssicheren Gewalt­einsatz.


12 | Fazit: Notwehr ist kein Freibrief – aber Ihr gutes Recht

Notwehr ist komplexer als der populäre Leitsatz „Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen“. Wer im Ernstfall richtig handeln will, muss die fein austarierten Voraussetzungen kennen: Gegenwärtigkeit, Erforderlichkeit, Gebotenheit und Verteidigungs­wille. Gerade in einer lebendigen Stadt wie Mainz können Bagatellkonflikte rasch eskalieren. Eine falsche Einschätzung führt schnell zur Strafbarkeit wegen Körperverletzung oder – bei Waffen – gar zu Tötungsdelikten.

Die beste Verteidigung beginnt daher lange vor dem Ernstfall: mit klarem Wissen um die Rechtslage, mit de‑eskalierenden Handlungsmöglichkeiten und mit einem fähigen Strafverteidiger an Ihrer Seite. Unsere Kanzlei steht Ihnen dafür mit Expertise, Leidenschaft und tiefer Verankerung in Mainz zur Verfügung.

Ihre Ansprechpartner

Rechtsanwalt Christian Giloth

 Telefon: 06131-9725322

 E-Mail: info@hng.law
 Standorte: Mainz | Alzey
 Termine nach Vereinbarung – auch kurzfristig möglich


Hobohm Natalello Giloth – Rechtsanwälte seit 1959

Terminvereinbarung

WHATSAPP

Terminvereinbarungen mit der Kanzlei sind unproblematisch auch per WhatsApp möglich. Bitte beachten Sie jedoch, dass über WhatsApp ausschließlich die Terminvereinbarung erfolgt.

KONTAKTFORMULAR

Zur Vereinbarung eines Termins mit der Kanzlei Hobohm Natalello Giloth können Sie im Übrigen auch das Kontaktformular verwenden. So kommen Sie schnell und einfach zu Ihrem Termin in der Kanzlei

E-MAIL

Selbstverständlich können Sie Termine mit Ihrem Anwalt auch per E-Mail vereinbaren. Bei einer Kontaktaufnahme per E-Mail bietet es sich an, wenn Sie den Sachverhalt bereits grob skizzieren.